Momentos de la viaje - Die Reise

Es ist 5 nach 11 abends. Ich liege auf einer Strohmatte, die ich mir mit einem Jungen aus dem Heim teile. Neugierig schaut er auf mein Handy. Im Hintergrund höre ich Regen und  Schnarchen in verschiedensten Variationen.
Wir sind in der Pampa (Das Dorf heisst wirklich Trinidad Pampa). Das ist in den Yungas. Es regnet 70 Prozent des Tages, wobei die verbleibenden 30 Prozent in der Sonne vor Hitze kaum auszuhalten sind. Seit 2 Tagen sind wir inzwischen hier und es erinnert mich an ein Pfadfinderlager. Viel Spaß, wenig Schlaf, lustige Freizeitaktivitäten, ungemütliche Schlafplätze und schon nach der Hälfte des Aufenthalts ist der Großteil meiner Kleidung nass und/oder müffelt. Es ist es eine sowohl anstrengende als auch wahnsinnig tolle und erlebnisreiche Zeit. Manchmal vergisst mein inneres Kind, dass ich eigentlich zu den Betreuern gehöre und mit gutem Beispiel vorangehen sollte. Trozdem ist bisher eigentlich alles gut gegangen. Die Jungs sind super drauf, haben jede Menge Mist im Kopf und mir war bisher noch nicht langweilig. Die meiste Zeit verbringen wir, wie auch im Heim, auf dem Fussballplatz. Kleine Anekdote nebenbei: Vor der Fahrt haben wir eine Art Stundenplan erstellt. Dort sind alle Aktivitäten, Mahlzeiten und Schlafenszeiten genau aufgelistet. Da die Planungs- und Organisationsmoral der Bolivianer jedoch nicht so groß ist, werden diese Pläne in der Regel nicht eingehalten. Abgesehen vom Essen... Wehe wenn da einer zu spät kommt...
Ich genieße die Zeit hier sehr. Die Wärme, den ständige Geruch von Regen, die Koka-Bauern, die ihre Ernte auf der 'Strasse' trocknen, sogar die doofen Sprüche meiner 50 Chaoten - all das werde ich vermissen, wenn ich wieder in La Paz bin.

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Pobreza

 

Freitag, 14:00 Uhr. Im Casa Esperanza herrscht Aufbruchstimmung. Wohin? Das weiß ich zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht. Wir machen eine „Actividad Sozial“, heisst es nur. Ich beschließe, mich überraschen zu lassen. Mit einer soliden Verspätung von 2 Stunden sitzen dann alle Jungs, gestapelt und gequetscht in Minibussen. Nach einer unbequemen aber witzigen Fahrt, kommen wir im Stadtteil 'San Sebastian' an. Zwei Jugendliche schleppen einen großen Topf aus dem Fahrzeug.

Neugierig höre ich zu, als den Kindern erklärt wird, was zu tun ist.

Die Aufgabe ist klar: Sucht nach Menschen die auf der Straße leben und bietet ihnen heiße Schokolade und Gebäck an.

Der Ort, an dem wir die Menschen aufsuchten, war mir keineswegs fremd. Es ist ganz in der Nähe eines anderen Hauses der Fundacion Arco Iris. Ich bin dort oft im Minibus vorbei gefahren, habe aber nie wahrgenommen, dass da so viele Menschen auf der Straße leben.

Mich beschlich schnell ein beklemmendes Gefühl. Mir wurde klar, dass ich den Glauben hatte, durch meine Arbeit im Heim den absoluten Durchblick über Armut und Leid in Bolivien zu haben. Und dann steht dir auf einmal eine Frau mit 3 Kindern gegenüber. Alle tragen Sandalen. Es sind 15 Grad und ein ekeliger Nieselregen hüllt die Stadt in sich. Ich merke, dass ich friere, schäme mich im nächsten Moment jedoch so sehr, dass ich versuche es zu ignorieren.

Verhalten aber mit einem Hauch von Stolz, sagt die Frau, dass sie aus dem Aymara-Volk stammt. Das ist eines der größten indigenen Völker in Bolivien und Peru. Gesetzlich ist die indigene Bevölkerung nicht beeinträchtigt, jedoch ist die gesellschaftliche Gleichberechtigung von Indigenen kaum gewährleistet. Viele der Indigenen, die in der Hoffnung auf Arbeit in die Städte ziehen, leben letztendlich in Armut – leider oft auf der Straße. Mit gesenktem Kopf und etwas beschämt bedankt sich die Frau und geht weiter. Ich mache mit darauf hin mit 2 Jugendlichen auf die Suche nach Menschen, die noch nichts von unserer Aktion mitbekommen haben. Nach 5 Minuten werden wir fündig. Was von weitem aussah, wie ein Müllhaufen, stellte sich später tatsächlich als Müllhaufen heraus.

Ein Müllhaufen in dem 4 Menschen leben. 2 Frauen saßen vor ihrer Behausung und wuschen Wäsche. Der Gestank von Alkohol und Urin drang mir in die Nase. Als wir sie ansprachen, weckten sie ihre Männer auf, die unter einer großen Plastikplane, in schmutzige Decken eingehüllt schliefen.

Als wir ihnen die heiße Schokolade und das Gebäck gegeben hatten und auf dem Weg zurück zum Rest der Gruppe waren, verhielten sich die Jungs für einen Moment wie Erwachsene.

Kein dummer Spruch, kein Witz über den Gestank, gar nichts.

Dieser Augenblick hat mich sehr stolz gemacht.

Die Jungs sind auf sehr unterschiedliche Weisen mit den Situationen umgegangen. Wie bereits gesagt gab es einige vernünftige, die respektvoll und motiviert an der Aktion teilgenommen haben. Leider gab es aber auch Jungs, die dafür zu 'cool' waren und sich mit Witzen und respektlosen Bemerkungen die Zeit vertrieben haben.

Ein besonderer Tag, zwischen Stolz und Enttäuschung, der mich auf viele Gedanken gebracht hat, die es weiter zu denken gilt, geht zu Ende.

Auch wenn ich mal wieder vor vielen offenen Fragen stehe, habe ich eine Sache gelernt:

Nur weil ich ab und zu Menschen sehe, die unter extremer Armut leiden, bedeutet das nicht, dass ich das gesamte Ausmaß der Armut hier kenne. Es war nötig, den Menschen persönlich zu begegnen damit mir bewusst wurde, was ich verdrängt habe, seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin.

In einer Zeit, die von Eindrücken geprägt ist, habe ich es teilweise versäumt, Eindrücke zu sammeln, die unschön sind und mich auf traurigere Gedanken bringen.

Ich habe mir nach der Aktivität vorgenommen, weniger wegzuschauen und mich immer wieder daran zu erinnern, wie gut es uns in Deutschland geht.

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Cariño (Herzlichkeit)

Es ist Donnerstag. Oder besser gesagt "Cine-Tag". Wie jeden Donnerstag habe ich ungefähr bis 10 Uhr geschlafen, danach Kaffee gekocht und gewaschen. Selbstverständlich per Hand, denn seit einigen Monaten ist unsere Waschmaschine kaputt. Für mich ist das einerseits eine gute Möglichkeit, den Alltag der Jungs aus dem Heim nachzuvollziehen. An Tagen, an denen ich nicht ganz so optimistisch drauf bin, kotzt es mich einfach nur an.
Gegen 13:30 Uhr komme ich in Projekt an. Vor mir liegt ein Kino-Nachmittag/Abend und damit eine ganze Menge zu organisieren. Schließlich erwarten die Kinder eine exzellente Filmauswahl und einen großen Berg Popcorn, der nicht zu stark, aber auch nicht zu schwach gesalzen ist. Und wehe es brennt etwas an...
Ich gehe in das Büro der Sozialarbeiterinnen.
Zulema, eine Kollegin, die über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr im Urlaub war, sitzt an ihrem Schreibtisch. Und nun kommt der Bezug zur Überschrift: Vor den Weihnachtsfeiertagen hatte sie mir etwas Geld geliehen, weil wir (die Mitarbeiter) kurzfristig ein Geburtstagsgeschenk kaufen mussten. Ich habe mir eine Notiz gemacht, um das nicht zu vergessen und es ihr sofort zurückzugeben.
Als ich sie begrüßt hatte und schon nach meinem Portmonee greifen wollte, sagte sie von Ganzem Herzen, dass sie hofft, dass ich eine schöne Weihnachtszeit hatte, dass es meiner Familie gut geht, dass ich gut ins neue Jahr gekommen bin und dass sie mir alles Gute für das neue Jahr wünscht und hofft dass ich meine Arbeit so weiter mache, wie bisher.
Ich war erst mal einen Moment sehr verblüfft und bin mir sicher, dass ich ziemlich doof geguckt habe.
Einerseits finde ich es wunderbar, mit welcher Herzlichkeit die Menschen hier miteinander umgehen. Andererseits liege ich gerade (es ist 02:26 Uhr) wach im Bett und frage mich, warum ich, als Mensch der mit der so genannten "Deutschen Brille" durch Bolivien läuft, es nicht fertig bringe etwas, ansatzweise so herzliches, zu erwidern. Auch wenn ich es immer für eins der Standart-Klischees über uns Deutsche gehalten habe, stimmt es vielleicht wirklich, dass wir ein bisschen zu korrekt, organisiert und verkopft sind.
Ich glaube, dass uns manchmal der Mut fehlt, den Menschen die wir mögen zu sagen, was wir für sie empfinden und was wir ihnen wünschen.
Ich frage mich gerade, wie es um eine solche Herzlichkeit in Deutschland bestellt ist.
Wenn ich so drüber nachdenke ist ein Gespräch, auf einer vergleichbaren Ebene (mit Arbeitskollegen, etc.) meist trocken und etwas gezwungen. ('Was habt ihr Sylvester so gemacht?' ; 'War ganz nett, aber das Wetter...' usw.)
Auf der anderen Seite stehen Sätze die mit 'Ich hoffe...', oder  'Ich wünsche dir...' beginnen. Deutlich schöner, wenn ihr mich fragt.

Dennoch bleiben die Fragen:
Warum haben wir Deutschen die Herzlichkeit verlernt?
Warum kriegen wir es so selten auf die Kette, Menschen einfach mal etwas zu sagen, was wirklich von Herzen kommt?
Ich habe darauf zwar keine Antworten, aber hoffe, dass ich vielleicht den ein oder anderen zum Nachdenken anregen konnte.

An alle, die meinen Blog trotz längerer Abwesenheit noch verfolgen und auch an die, die es nicht tun:
Ich hoffe ihr hattet schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Ich wünsche euch alles erdenklich Liebe. Hoffentlich schafft ihr alles, was ihr euch für die nächsten 12 Monate gewünscht und vorgenommen habt! Und falls nicht habe ich hier ein Rheinisches Sprichwort, dass der Bolivianischen Mentalität gar nicht so fern ist, wie man vielleicht denkt:
Et kütt wie et kütt un et hätt noch immer jot jejange.
In diesem Sinne: Frohes Neues!

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Peregrinacion – eine Pilgerfahrt in drei Akten

Akt 1: La viaje

Am letzten Freitag ging es los: Ich hatte meine erste Nacht im Projekt verbracht, um nicht mitten in der Nacht per Taxi durch La Paz fahren zu müssen.

Um 6 Uhr wurden wir geweckt (3 Stunden später als geplant). Danach wurde eilig gefrühstückt und das Gepäck zum Bus gebracht.

Als wir endlich fuhren, hielt der Koordinator eine Ansprache. Darin machte er deutlich, dass es bei der Reise darum ginge, die Jungfrau Maria um Schutz und Unterstützung zu bitten (Die Bolivianer sind ein sehr religiöses Volk).

Die Reise sollte nicht nur zur Vergnügung stattfinden. 15 Minuten nach der Ansprache pfeift Christian (16) einem Mädchen durch ein geöffnetes Fenster hinterher.

Die weitere Busfahrt verlief ruhig und relativ ereignislos.

Als wir schließlich in Tiquina ankamen und mit einem Boot auf die Halbinsel im Titicacasee übergesetzt hatten, stand ich vor einer meiner größten Herausforderungen meines Lebens: Der Wanderung von Tiquina nach Copacabana. In Zahlen: ca. 40 Kilometer, auf mindestens 3800 Metern Höhe, in 8 Stunden.

 

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Bienvenido a la familia

Montag, 08:30 Uhr. Müde steige ich in den Minibus Richtung Villa Copacabana. Über holprige Straßen fahre ich zum 'Casa Esperanza', meiner neuen Arbeitsstelle. Da ich die Strecke dorthin noch nie im Minibus, sondern nur im Taxi gefahren bin, verpasse ich es rechtzeitig auszusteigen. Daher finde ich mich um 10 vor 9 an einem Kreisverkehr wieder, an dem der Busfahrer seine Route beendet. Ich frage, auf dem Weg zum Heim, an jeder Straßenecke jemanden nach dem Weg, da es uns schon einige Male passiert ist, dass die Bolivianer, selbst wenn sie den Weg nicht oder nur kaum kannten, aus Höflichkeit eine falsche Wegbeschreibung abgegeben haben.

Ich hatte jedoch Glück und kam noch halbwegs pünktlich im Heim an.

 

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